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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 32. Sonntag im Jahreskreis B

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, ein Pfarrer unseres Bistums hat in einem offenen Brief unlängst beklagt, dass die wachsende Beschäftigung der Kirche mit ihren Strukturen eine Art Übersprungshandlung sei. Man weicht der eigentlichen Frage aus, wie man heute noch von Gott sprechen kann.

Diese Frage wagt man kaum mehr zu beantworten, für die Rede von Gott fehlt vielfach schlicht die Sprache. Ich meine auch, dass sich eben deshalb die allermeisten Diskussionen der Bischöfe, Priester und Laien um die Kirchenkrise und nicht um die Gotteskrise drehen. Hier sollen nicht Probleme in der Organisation der Kirche und im Handeln einzelner Glieder geleugnet werden. Doch wenn Gott keine Rolle mehr spielt, wird sich die Frage nach der Kirche kurz oder lang von selbst erledigen.

Die biblischen Lesungen dieses Sonntags fordern heraus. In der alttestamentlichen Lesung bittet der Prophet Elija eine Witwe, ihm tatsächlich das letzte Stück Brot abzugeben. Und Jesus verweist im Evangelium auf das Beispiel einer armen Witwe, die alles, „was sie besaß“, hergab und in den Opferkasten warf. Dieses Handeln der beiden Frauen ist nur zu verstehen, wenn Gott real, umfassend, allmächtig ist. Anders gesagt: Ist Gott eine solche Wirklichkeit, dass es sich lohnt, alles auf ihn zu setzen?

Das zu glauben, fällt uns nicht leicht, schließlich sind wir Kinder unserer Zeit. Und die ist geprägt davon, dass wir vor allem dem Beweisbaren glauben. Die sicht- und greifbaren Dinge sind für uns die „eigentliche“ Realität. An einen einzigen Gott zu glauben, den ich nicht sehen kann, der aber mich persönlich im Blick haben soll, fällt nicht wenigen schwer.

Wir müssen tatsächlich von einer „Gotteskrise“ sprechen. Nun sind verschiedene Reaktionen darauf zu beobachten. Viele Menschen wenden sich ab, wie sie sagen „von der Kirche“, von deren offenkundigen Schwächen. Doch sie wenden sich letztlich auch von Gott ab, denn welche Bedeutung sollte ein Gott haben, dem ich keine Zeit mehr schenke, dessen Worte nicht mehr meine Pläne hinterfragen dürfen…? Andere haben sich irgendwie arrangiert mit einem fernen, aber fast unbedeutenden Gott. Sie glauben, dass es eine „höhere Macht“ gibt, aber dafür, dass es hier läuft müssen wir schon selbst schauen… Wenn es mir gut tut, denke ich an Gott, aber in meinen Entscheidungen und Lebensweise weiß ich doch selbst am besten, was gut für mich ist. Wieder andere versuchen Gott zu beweisen mit „Erscheinungen“ oder mit außergewöhnlichen Ereignissen, die aber letztlich nur unter ihren Voraussetzungen Gott „beweisen“.

Sagen wir es ehrlich: Man kann Gott nicht beweisen, wie man auch die Liebe nicht beweisen kann. Gott ist nicht zu finden ohne den Sprung des Vertrauens, von dem die biblischen Lesungen sprechen. Sie zeigen uns Beispiel des radikalen Vertrauens, das die beiden Witwen in Gott setzen. Die beiden Frauen erwarten nicht dieses oder jenes, sie glauben. Und diesen Glauben drücken sie konkret aus, indem sie Gott alles, was sie haben, geben. Denn sie vertrauen, dass Gott alles zum Guten führt.

Das scheint uns viel verlangt. Ist es auch. Damit wir dennoch diesen Glauben wagen, hat der Vater uns doch einen unübertrefflichen Beweis seiner Liebe gegeben: Er hat uns seinen Sohn geschenkt. Jesus hat sich für uns geopfert, erinnerte die Zweite Lesung aus dem Hebräerbrief. Und Jesus wird die „retten, die ihn erwarten“, hieß es weiter.

Das ist unser Auftrag, ihn erwarten – alles von ihm erwarten. Das ist Glauben, das ist Liebe. Wir sollen uns nicht in endlosen Struktur- und Amtsfragen aufreiben, wir brauchen nicht jener Erscheinung oder „Botschaft“ nachlaufen, unser Auftrag ist der treue Dienst: der Dienst des Gebets, der Dienst des Gottesdienstes, der Dienst der Nächstenliebe. So halten wir die Gegenwart Gottes wach – in unseren eigenen Herzen und in unserer Welt. Amen.

07.11.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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