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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Karfreitag

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wir versuchen Leiden und Sterben zu verdrängen. Kranke und gebrechliche Menschen werden in Krankenhäusern oder Pflegeheimen betreut. Das ist keine Kritik, weil es ja vielfach notwendig ist, doch es verändert unsere Wahrnehmung. Angehörige kommen zu Besuch und sehen vieles nur mit Abstand. Auch das Sterben geschieht oft nicht mehr inmitten der Familie, sondern in der Klinik. Der Leichnam wird – manchmal ohne, dass ihn Hinterbliebenen noch einmal ansehen – abgeholt für die Beisetzung. Die sich ausbreitende Feuerbestattung verstärkt das noch, da nur mehr eine Urne mit den Überresten des Verstorbenen in den Blick kommt.

Dieses Verdrängen ist eine wesentliche Erklärung für die viele Verhaltensweisen in der Corona-Pandemie, wie etwa die Tatsache, dass man Kranke und Sterbenden der Einsamkeit überlässt. Oder dass man viele Menschen „in aller Stille“ begräbt.

Der Tod ist uns so fremd geworden, dass er uns völlig aus der Fassung geraten lässt, wenn er so unerwartet in unser Leben tritt wie durch eine Seuche. Wir haben es verlernt, uns in das Unabänderliche zu fügen. Der heutige Karfreitag zeigt uns dennoch ungeschönt das Sterben Jesu. Selbst für den Gottessohn gibt es kein Leben ohne Leiden. Wie sollte es dann für uns anders sein?

Im Credo wird mit drei knappen Worten diese ungeheuerliche Tatsache benannt: „gekreuzigt, gestorben und begraben“. Jesus ist am Kreuz gestorben. Der Schöpfer aller Dinge ist in die Dunkelheit des Todes gestiegen. Wir haben es eben in der Johannes-Passion gehört. Nicht aus fernen, himmlischen Sphären hat Gott sich geoffenbart. In unserem Fleisch hat er sich gezeigt. Keinen „Superheld“, dem nichts etwas anhaben kann, einen Menschen sehen wir, „in allem uns gleich außer der Sünde“.

Alle Versuche, das Leiden aus der Welt zu verdrängen, sind zum Scheitern verurteilt. Wo der Mensch selbst das Paradies auf Erden zu schaffen sucht, führt das meist zu noch schlimmeren Leiden – wie es die falschen Verheißungen von Diktaturen belegen.

Jesus lehrt einen anderen Weg, nämlich das Leiden anzunehmen und sich der Leidenden anzunehmen. Das Kreuz anzunehmen, ist der Weg es zu tragen. Nur im Annehmen des Kreuzes erfahren wir das Wunder des Trostes, denn erst dann beugt sich der Herr mit unter den Kreuzesbalken und schleppt ihn mit.

„Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“. Aus seiner Liebe leben wir alle, aus seiner Hingabe. Wir bekennen, dass Jesus nicht zuerst an sich, an seine Gesundheit, an sein Wohlbefinden gedacht hat, nicht daran dass er ein hohes Alter erreicht… Wir bekennen, dass der Herr an uns gedacht hat und sein Leben für uns gegeben hat. Der Mensch ist Gott so viel wert, dass er sich verschenkt hat in Jesus.

Im Licht dieses Glaubens brauchen wir das Leiden nicht zu verdrängen. Wir können es annehmen, weil in jedem menschlichen Leiden ein Mitleidender, ein Mittragender zu finden ist: der gekreuzigte Heiland. Das ist unser Trost und unsere Zuversicht: die mitleidende Liebe Gottes. Wenn wir mit ihm gehen, können wir auch die Begrenztheit unserer Möglichkeiten, ja sogar unserer Lebenszeit anerkennen. Denn wir vertrauen, dass kein Karfreitag ewig dauert. Unser Weg geht nach Ostern. Der Weg mit Jesus führt ins Leben. „Durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Amen.

02.04.2021, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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