Predigt von Pfarrer Daigeler zum 5. Ostersonntag C
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, die Lesung aus der Apostelgeschichte erzählt uns von der Missionstätigkeit des Apostel Paulus. Nicht nur in Palästina, auch in Syrien verkündet er den Glauben an Jesus, den Auferstandenen. Die Apostel setzen etwas in Gang, das nach ihnen weitergehen soll. Damit diese Weitergabe des Glaubens verlässlich geschieht, gründen sie Gemeinden. Es ist klar, Christsein ist zugleich eine persönliche Entscheidung wie auch die Einbindung in die Gemeinschaft der Christgläubigen, in die Kirche.
Echtes geistliches Wachstum gibt es darum auch nur dort, wo beides zusammenkommt: meine Entscheidung für den Glauben an Christus und meine Bereitschaft, mich an eine konkrete Christengemeinde zu binden. Jesus sagt es im Evangelium deutlich, das Kriterium, an dem die Welt erkennen kann, ob wir selbst den Herrn erkannt haben, ist, dass „wir einander lieben“. Es gibt keine Liebe zu Christus ohne die Liebe zueinander.
Freilich ist es heute verbreitet, aus einem „Buffet“ auszusuchen, mal diese Variante, mal jene… Gewiss ist es möglich und sinnvoll, unterschiedliche Prediger zu hören. Das kann durchaus eine Bereicherung sein. Aber es birgt auch die Gefahr, dass ich das, was mich herausfordert eben nicht höre, sondern nur mehr das, was mich bestätigt. Und dieser geistliche Individualismus ist weit verbreitet. Schließlich sind wir alle Kinder unserer Zeit.
Damit die kirchliche Gemeinschaft bewahrt und in der Treue zum Ursprung bleibt, setzen Paulus und Barnabas „in jeder Gemeinde Älteste ein“. So konnten wir es in der Ersten Lesung hören. Geht es dabei um einen bloß praktisch-organisatorischen Vorgang? Wir alle wissen, dass es in jeder Kommune, in jedem Verein Leitung braucht, damit Projekte verwirklicht werden können. Das ist auch in der Kirche so. Und ich bin sehr dankbar, dass Menschen im Vorstand des Pfarrgemeinderates oder als Kirchenpfleger solche Verantwortung übernehmen. Aber wozu braucht es da noch „Älteste“, wie sie Lukas nach der jüdischen Ordnung nennt, griechisch „Presbyteroi“, wovon sich unser Wort „Priester“ ableitet?
Ich habe in diesen Tagen noch einmal die Primizpredigt, die mir mein späterer Doktorvater Prof. Dr. Winfried Haunerland im Mai 2005 gehalten hat, gelesen. Er sprach unter anderem davon, dass der Priester „Ikone Christi“ werden solle. Es liegt auf der Hand, dass es nicht um ein Kunstwerk geht. Die Ikone soll eine verborgene Gegenwart sichtbar machen. Und das ist der Dienst des Priesters. Gewiss muss er oft praktisch und organisatorisch in der Pfarreiverwaltung tätig sein, aber sein wichtigster und unverzichtbarer Dienst ist es, Christus sichtbar zu machen. Und zwar nicht weil dieser abwesend wäre, im Gegenteil, nein, weil Christus seine Botschaft und seine bleibende Gegenwart in den Sakramenten in die Hände konkreter Menschen gelegt hat. Christus wollte sichtbar und hörbar bleiben in unserer Mitte, indem er Menschen sucht, die ihm ihre Stimme leihen, die sich ganz und gar zur Verfügung stellen. So ist der Priester „ein Bild für den anwesenden Herrn der Kirche“ (Haunerland).
Natürlich wissen wir um die Schwachheit der Priester. Ich weiß um meine Begrenztheit. Die Gegenwart des Herrn ist, wie es der heilige Paulus einmal schreibt, ein „Schatz in zerbrechlichen Gefäßen“. Wie deutlich weiß Jesus um die Schwachheit seiner Jünger, als er ihnen im Abendmahlssaal sagt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Er weiß, dass Petrus ihn dreimal verleugnet hat, und dennoch beauftragt er ihn: „Weide meine Schafe!“
Warum hat er das getan? Warum tut Jesus das heute noch, wenn in unseren Tagen Priester geweiht werden? Gäbe es nicht bessere oder andere Wege? Womöglich. Aber mich überzeugt, was der heilige Papst Johannes Paul II. dazu gesagt hat. Christus hat das Weiheamt gewollt, damit sichtbar bleibt, dass die Kirche sich selbst nicht genügt. Alle Talente und Fähigkeiten sind wichtig und notwendig und doch reichen sie nicht aus. Das wird am deutlichsten, wenn wir die Herzmitte der Kirche betrachten, die Heilige Messe. Es reicht nicht aus, dass wir uns versammeln und beten. Wir brauchen den Priester, und zwar nicht weil dieser über irgendeine „magische Fähigkeit“ verfügen würde, nein, damit deutlich bleibt, dass die Eucharistie „eine Gabe ist, die auf radikale Weise die Vollmacht der Gemeinde übersteigt“ (Ecclesia de eucharistia, 29).
Wir genügen nicht uns selbst. Wir leben vom Herrn und seiner unermesslichen Liebe. Darauf hinzuweisen und das weiterzugeben, bemühe ich mich. Dafür bitte ich um Euer Gebet, damit ich sein Werkzeug bleibe, damit ER das Entscheidende tun kann. Amen.
18.05.2025, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler