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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Hochfest Allerheiligen 

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, es gibt gewiss unterschiedliche Arten des Betens. Das kirchliche oder liturgische Beten besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Es ist zuerst die sogenannte „Anamnese“ und dann folgt die Bitte. Der griechische Fachbegriff „Anamnese“ wird oft mit „Erinnerung“ übersetzt. Mehr noch geht es um Vergegenwärtigung. So beten wir etwa in der Osternacht: „Deine uralten Wunder leuchten noch in unseren Tagen“. Sie sind in unserem Glaubenswissen lebendig.

Darum beginnt die Kirche ihr Beten nicht mit diesem oder jenem noch so wichtigen Anliegen, sondern mit dem Lobpreis Gottes für die Wunder, die er bereits getan hat. Zuerst loben wir den Herrn, für die Zeichen seiner Güte, die er bereits an uns und den Menschen vor uns gewirkt hat. In dieser Gewissheit können wir bitten: Handle doch auch an uns ebenso rettend, vergebend, heilend.

So sind auch die kirchlichen Tage von Allerheiligen und Allerseelen aufgebaut. Zuerst feiern wir heute das Heil, das Gott bereits gewirkt hat. Wir schauen auf das Ziel, das die Heiligen bereits erreicht haben. Wir feiern die Zuversicht, die uns der Glaube an die Auferstehung schenkt. Und in dieser Gewissheit beten wir dann heute Nachmittag und morgen an Allerseelen für unsere Verstorbenen, dass sie ebenso dieses Ziel erreichen, dass sie das Leben in Fülle schauen dürfen.

Das übersieht nicht die Trauer oder den Schmerz der Trennung von einem lieben Menschen, den der Tod bedeutet. Das übersieht nicht, dass menschliches Leben stets unvollkommen bleibt, dass wir auch am Ende unseres Lebens stets der Barmherzigkeit und Vergebung bedürfen. Aber es stellt alles in ein anderes Licht, in das Licht des Glaubens. Am heutigen Fest Allerheiligen lesen wir im Evangelium den Beginn der Bergpredigt. Jesus beginnt seine Worte mit den sogenannten Seligpreisungen. Er benennt offen und klar menschliche Sorgen und Nöte: Armut, Ungerechtigkeit, Krieg und Verfolgung. Doch er stellt jedem Menschen, der darunter leidet, eine große Zusage voran: „Selig seid Ihr!“

Das Wort „selig“ mag fremd klingen, aber es ist ähnlich wie „heilig“ ein Wort der Fülle, ein Wort voll Leben. Jesus sagt sinngemäß: „Ihr dürft euch freuen, ihr seid nicht allein. Das Leid wird nicht das letzte Wort haben. Ihr habt Anteil am Sieg über das Leiden, über die Ungerechtigkeit, über den Tod. Denn ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt.“ Diese Zusage und Verheißung nennt der Johannesbrief: Wir sind „Kinder Gottes“. Gott liebt uns wie seinen eigenen Sohn, darum lässt er uns nicht fallen, so wie er Jesus nicht im Tod gelassen hat. Und die Zweite Lesung geht noch weiter: „Jeder, der diese Hoffnung auf ihn setzt, heiligt sich, so wie er heilig ist.“

Ja, die Heiligen sind Menschen der Hoffnung. Darin geben sie uns ein Vorbild. Sie waren Menschen wie wir. Sie kannten dieselben Herausforderungen. Die Lesung aus der Johannes-Offenbarung sagt: „Es sind jene, die auf der großen Bedrängnis kommen.“ Aber sie haben die Hoffnung bewahrt. Sie haben ihre Hoffnung auf den Herrn gesetzt. Und das macht auch uns Mut.

Wenn wir beten, wollen wir stets zuerst Gott loben und ihm danken, denn damit drücken wir unsere Hoffnung aus, die wir ganz auf ihn setzen. Und wenn wir voll Hoffnung beten, wird er uns hören. Gerade auch, wenn wir für unsere lieben Verstorbenen beten. Amen.

01.11.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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