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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 28. Sonntag im Jahreskreis C 

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, in der vergangenen Woche habe ich einen ausführlichen Radiobericht über Demenz gehört. Interessanterweise wurde auch intensiv darüber diskutiert, ob es sich dabei um eine Krankheit oder um einen Teil des natürlichen Alterungsprozesses handelt. Argumente von verschiedenen Ärzten, von Angehörigen und Betroffenen waren zu hören. Mir geht es hier nicht um die medizinische Frage, aber an dieser Diskussion sind mir zwei unterschiedliche Herangehensweisen, das Leben zu verstehen, aufgefallen.

Etwas vereinfacht gesagt sieht die eine Auffassung den Menschen, seinen Leib und seine Organe und schaut darauf, wo ein einzelnes oder mehrere Teile nicht funktionieren. Diese Störung, dieser Defekt wird diagnostiziert und soll dann – nach Möglichkeit – behoben werden. Eine andere Sicht geht davon aus, dass jedes menschliches Leben von Wachstum und – zu gegebener Zeit – eben auch von Verfall geprägt ist. Das wird sich an unterschiedlichen Stellen oder in unterschiedlicher Geschwindigkeit zeigen, aber letztlich ist es ein Prozess, dem wir alle unterworfen sind, weil wir Lebewesen sind, weil wir Menschen sind – und auch weil wir sterblich sind.

Die biblischen Texte dieses Sonntags, besonders die Erste Lesung und das Evangelium sprechen über die Heilung von Kranken. In diesem Fall handelt es sich um Aussätzige, also Leprakranke. Die Erwartung, die Herangehensweise sowohl des Syrers Naaman im Alten Testament, also auch der neun Aussätzigen ist mehr von der ersten beschriebenen Herangehensweise geprägt. Sie leiden an einer Krankheit und sie suchen den Spezialisten, der ihr Problem löst und sie gesund macht. Das ist verständlich. Wer ist schon gerne krank? Wer sehnt sich nicht nach Gesundheit, wenn er Schmerzen hat oder Einschränkungen erlebt?

Und dennoch ist das Ziel dieser Heilungen mehr als nur einen bestimmten organischen Zustand herzustellen. Ja, ein Problem wird hier gelöst. Aber die Geheilten bleiben ja sterbliche Menschen, denen auf ihrem weiteren Lebensweg weitere Herausforderungen begegnen werden. Darum ist Jesus durchaus enttäuscht, dass nur einer von zehn Geheilten umkehrt, „um Gott zu ehren“. Natürlich geht es um den Dank für das empfangene Geschenk der Heilung. Doch es geht um mehr. „Dein Glaube hat dir geholfen“, sagt der Herr zu dem einen, einem Mann aus Samarien, der umgekehrt, um Jesus zu danken. Dieser Mann ist offensichtlich zu einer neuen Sicht des Lebens gekommen, die wir Glauben nennen.

Die Heilungen, die Jesus wirkt, sind ja keine Spektakel, um Menschen zu beeindrucken, keine Bevorzugung einzelner besonders Frommer. Unsere eigene Lebenserfahrung würde dem widersprechen. So einfach werden Gebete nicht erhört. Es geht Jesus immer um das ganz und gar Vertrauen in den Vater, das er lebt und in das er uns hineinführen möchte. Ob ich gesund oder krank bin, ich bin gehalten von Gottes Hand, darum brauche ich mich nicht zu fürchten. Ob dieses Leben viele Jahre oder wenige Jahre zählt, ich bin geborgen im Leben Gottes, das keine Zeit und keine Grenzen kennt, darum brauche ich keine Angst zu haben etwas zu verpassen.

Ich neige der zweiten Sichtweise zu. Wir sind und bleiben Geschöpfe – egal welche erfreulichen Fortschritte die Medizin zu welcher Zeit auch immer erreicht. Wir brauchen unsere Begrenztheiten und Schwäche nicht zu leugnen, wir können sie auch nicht abschütteln. Wir dürfen lernen sie anzunehmen, weil der Herr sie mit uns trägt, weil in ihm Heilung und Heil für Leib und Seele zu finden ist, weil bei Jesus immer genug Leben für alle zu finden ist – Leben in Fülle. Amen.

09.10.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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