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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 25. Sonntag im Jahreskreis A

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, unter Gläubigen wie unter Theologen wird manchmal diskutiert, ob Gott nun mehr barmherzig oder mehr gerecht sei. Jede Sichtweise wird gute Belege aus der Heiligen Schrift anführen können, die einerseits vom überschwänglichen Erbarmen Gottes sprechen, andererseits auch von seinem Gericht, das gut von böse scheidet. Oftmals entsteht die Befürchtung, man müsse jeweils die zu wenig gesehene Seite Gottes verteidigen.

Hier kann es Einseitigkeiten geben, umso mehr hilft uns das eben gehörte Evangelium beides zusammenzusehen. So können wir Gottes Größe auf die Spur kommen, von dem der Prophet Jesaja in der Ersten Lesung sagte: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken“, Spruch des Herrn.

Wenn wir Gott Eigenschaften zusprechen, müssen wir zunächst bedenken, was diese beinhalten. Sowohl über Gerechtigkeit als auch über Barmherzigkeit gibt es nämlich verbreitete Missverständnisse. So gibt es etwa die Ansicht, es wäre barmherzig, gar nicht mehr zu unterscheiden, ob etwas richtig oder falsch sei. Ja, gut und böse seien überhaupt nur vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Eine solche Haltung wäre aber Gleichgültigkeit. Barmherzigkeit sieht sehr wohl, was geschieht. Sie sieht auch Verletzungen, die böse Worte oder Taten tatsächlich anrichten. Doch sie sieht eben auch die Notwendigkeit der Vergebung, damit Leben gelingt.

Auf der anderen Seite gibt es die Meinung, gerecht sei nur, wenn alle genau abgezählt dasselbe erhalten würden. Diese Rechenmodelle scheitern aber an der Wirklichkeit, weil sie nicht sehen, was der Einzelne benötigt – wie es der Gutsherr im Gleichnis tut. Er gibt jedem den Lohn, den man braucht, um einen Tag lang seine Familie ernähren zu können. Und der Versuch, genau aufzurechnen, übersieht auch, dass die Leistungsmöglichkeiten verschieden sind und ebenso unterschiedlich die Voraussetzungen. Ob beispielsweise ein Kind gute Eltern und eine sichere Umgebung hat, in der es aufwachsen darf, spielt eine große Rolle dafür, ob es einen guten Weg durchs Leben finden. Wer das nicht hat, ist nicht frei von der Verantwortung für seinen Lebensweg, aber man wird das gerechterweise doch einbeziehen müssen, wenn man etwaige krumme Wege beurteilen möchte.

Wir sehen, ein „entweder oder“ hilft nicht weiter. Wir brauchen ein „sowohl als auch“. Und genau das enthält ja das Gleichnis Jesu. Gerecht ist, dass jeder bereit sein muss mitzuwirken. Nur wer sich auf den Weg auf den Marktplatz macht, um sich anwerben zu lassen, und nur wer dann auch in den Weinberg geht, der erhält Lohn. Das fordert die Gerechtigkeit. Sie ist nicht naiv. Doch dazu muss sich die Barmherzigkeit gesellen, die sieht, was jeder Arbeiter zu leisten im Stande ist, und die sieht, was jeder braucht, um leben zu können. Ohne Barmherzigkeit wäre die Gerechtigkeit blind.

So lehrt uns Jesus, dass Gott eben barmherzig und gerecht ist. Ohne das eine oder das andere wird es schief. Das bedeutet, wir müssen das Unsere tun, um den ewigen Lohn zu erhalten. Aber das Unsere kann verschieden sein, je nachdem, was einer mitbekommen hat und was einer schaffen kann. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass unser ehrlicher, guter Wille bereits für das Werk zählt. Auch das Geringste, das wir geben, zählt bei Gott. Er macht es groß. Das ist unsere Hoffnung. Amen.

24.09.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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