Predigt von Pfarrer Daigeler am Weihnachtstag
Jes 52,7-10; Hebr 1,1-6; Joh 1,1-18
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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wenn wir erklären wollen, was wir an Weihnachten feiern, dann werden viele vermutlich antworten: Wir feiern den Geburtstag Jesu. Das ist richtig, Weihnachten ist das Fest der Geburt Christi. Und doch geht es, wie man sich vielleicht denken kann, um etwas Umfassenderes.
Ein Kind kommt auf die Welt. Nach dem Bericht des Evangelisten Lukas geschieht das in Betlehem. Und seine Eltern Maria und Josef geben ihm dem Namen Jesus. Das hat ihnen ein Engel Gottes aufgetragen. Es ist wichtig, diese wunderbare Erzählung immer wieder zu hören. Sie geht uns zu Herzen und das soll sie auch. Freilich liegt in dieser Geschichte eine tiefere Frage und Sehnsucht des Menschen verborgen. Denn das Kind ist ein besonderes Kind. Empfangen durch das Wirken des Heiligen Geistes, wie wir es im Credo bekennen. Die Geburt des Jesuskindes gibt uns Antwort auf die Frage: Wie kann man Gott erkennen?
Im Menschen liegt ja eine Sehnsucht nach Sinn, nach Antworten auf die tiefere Bedeutung des eigenen Lebens. Kommen wir einfach auf die Welt und verschwinden dann wieder? Was soll all das Mühen und Anstrengen? Warum hat es mancher so schwer? … Seit Menschengedenken strecken wir aus nach dem, der diese Fragen beantworten kann, der die Grenzen unseres kleines Seins überschreitet, der Leben ohne Ende kennt.
Eine Ahnung davon hallt bereits in der ganzen Schöpfung wider. Der Evangelist Johannes beginnt sein Evangelium mit einem Prolog, der bewusst an die ersten Zeilen der Bibel erinnert. Im Buch Genesis ist die Rede davon, dass Gott alles geschaffen hat durch sein Wort, dass er eine gute Ordnung gegeben hat, in der sich der Mensch entfalten kann. Johannes greift das auf und meditiert mit uns über dieses „Wort Gottes“, das schon von Anfang an da war, durch das alles erschaffen wurde, ohne das nichts im Dasein ist.
Doch wie kommt er zu dieser Erkenntnis? Nun, wer aufmerksam auf das Leben schaut, der wird so etwas wie „natürliche Sakramente“ entdecken. Was meine ich damit? Es gibt Ereignisse, die vermitteln dem Menschen eine Ahnung von etwas, das mich übersteigt, und damit bereits eine Ahnung von Gott. Denken wir an die einschneidenden Ereignisse von Geburt oder Tod. Jeder merkt, das Leben ist nicht mein Produkt. Ich habe es nicht in der Hand. Es ist größer als mein Vermögen und Können. Ähnliches gibt es aber auch im Kleinen. Denken wir an eine Mahlzeit. Ich kann das nur als Nahrungsaufnahme sehen. Aber, wenn das in froher Gemeinschaft wie jetzt an den Feiertagen geschieht, erleben wir: Das, was mir hier geschenkt wird an Freude, an Erfüllung, das kann ich nicht einfach erzeugen. Es übersteigt die „Zutaten“, die wir bereit stellen.
Das sind Erfahrungen, die grundsätzlich allen Menschen zugänglich sind, so sie ihr Herzen nicht vollkommen davor verschließen. Nun gehen wir mit dem Inhalt des Weihnachtsfestes noch einen bedeutsamen Schritt weiter. Wir feiern, dass Gott selbst Mensch geworden. Wie es das Evangelium sagt: „Das Wort ist Fleisch geworden.“ Durch Weihnachten wissen wir: Gott ist kein Unbekannter mehr. Gott hat sich gezeigt in seinem Sohn. Jesus „hat Kunde gebracht“. Er hat uns unüberbietbar gezeigt, wer Gott ist und wie Gott ist – durch seine Worte, seine Taten und vor allem durch seinen Tod und seine Auferstehung. All das ist für uns aufgehoben in den christlichen Sakramenten. Hier ist der menschgewordene Gottessohn für uns berührbar. Er ist kein Fremder mehr. Wir tappen nicht mehr im Dunkeln. „Das Volk, das im Finstern lebt, hat ein helles Licht gesehen“, sagt der Prophet Jesaja.
Heute hat Gott „zu uns gesprochen durch den Sohn“, hörten wir eben aus dem Hebräerbrief. Diese Glaubensgewissheit liegt in der Geburt Christi verborgen. Sie zu entdecken, feiern wir Weihnachten. Hoffen wir, dass wir auf diesem Pilgerweg der Hoffnung voranschreiten. Beten wir heute, dass alle Menschen, dass „alle Enden der Erde das Heil unseres Gottes sehen“. Amen.
25.12.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler