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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 4. Sonntag im Jahreskreis B

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, wir hören in jeder Heiligen Messe Abschnitte aus der Heiligen Schrift. Oft sind es aufeinanderfolgende Verse. So ist das heutige Evangelium die „Fortsetzung“ des ersten Kapitels aus dem Markusevangelium, mit dem wir am vergangenen Sonntag begonnen hatten. Es geht um die ersten Schritte, die Jesus als öffentlicher Lehrer in seiner Heimat Galiläa geht.

Notwendigerweise hören wir immer nur ein paar Verse, weil unsere Aufnahmefähigkeit begrenzt ist. Die Texte wurden auch von den Autoren in Sinnabschnitte unterteilt. Dennoch ist die Bibel auch ein Gesamtwerk. Es kann zu Missverständnissen führen, wenn wir einzelne Sätze aus ihrem Zusammenhang nehmen.

Warum erzähle ich das? Ich möchte mit Ihnen heute auf die Zweite Lesung schauen. Während die Erste Lesung aus dem Alten Testament für jeden Sonntag passend zum Evangelium ausgesucht wurde, ist die Zweite Lesung eine „Bahnlesung“. Das meint, dass wir fortlaufend Abschnitte aus einem Paulus-Brief lesen. So hören wir heute einen kurzen Abschnitt aus dem Ersten Korintherbrief. Es sind nur vier Verse, doch sie enthalten eine provokante These.

Paulus beantwortet in seinem Brief eine Reihe von Fragen, die an ihn aus der Christengemeinde von Korinth herangetragen wurden. Offenbar geht es auch um die Frage: Soll man als Christ heiraten oder nicht? Diese Frage mag uns zunächst verwundern. Warum sollte man denn nicht heiraten? Jesus hat das ja nicht verboten. So ist es. Paulus selber schreibt: „Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot des Herrn.“ Schon hier wird deutlich, dass wir die Heilige Schrift immer als Ganze sehen müssen, um sie recht zu verstehen.

Dennoch bezieht Paulus Position. Er gibt aus seiner Erfahrung die Empfehlung ab, unverheiratet zu bleiben. Aber es geht ihm keinesfalls um das, was wir heute als „Singles“ bezeichnen würden. Vielleicht oder vermutlich erwartete Paulus, dass Jesus noch zu seinen Lebzeiten wiederkommt, darauf will er sich all seinen Kräften vorbereiten. Und er spricht von einer Zeit „der bevorstehenden Not“. Er geht davon aus, dass in der Zeit einer Christenverfolgung der unverheiratete Missionar mehr Freiheit haben wird als ein verheirateter Christ.

Es geht also nicht darum, das Eine gegen das Andere auszuspielen. Wir brauchen beides. Wir brauchen in der Kirche christliche Familien und wir brauchen ehelose Ordensleute, Missionare und Priester. Jesus selbst hat so gelebt, darum versuchen in seiner Nachfolge bis heute Menschen diesen Weg zu gehen.

Unsere Zeit betont oft die Gegensätze, weil sich das leichter darstellen lässt. Der katholische Glaube ist weiter. Er sagt: Wir brauchen Menschen, die sich ganz dem Gebet und dem geistlichen Leben widmen, und wir brauchen ebenso Menschen, die das tägliche Brot verdienen, den Haushalt führen und konkret anpacken, wo Hilfe nötig ist. Das gilt für die Familie, das gilt die Kirche. Wir brauchen in unseren Pfarreien die treuen Beter, die bei der Anbetung, beim Rosenkranz und beim stillen Verweilen in unseren Gotteshäusern so viel Segen über unsere Orte und Pfarreien bringen. Wir brauchen aber ebenso die Menschen, die in Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung mitdenken und mithelfen, die um unsere Kirche den Schnee räumen und kehren, die beim Pfarrfest helfen…

Wo eines davon fehlt, wird es schief. Für mich ist die Lesung ein Aufruf zur Gewissenserforschung für jeden von uns: Wo ist meine Aufgabe? Wo sind meine Talente, die ich einbringen kann für die Sache Jesu? Aber auch wo ist mein blinder Fleck? Wo ist der Bereich, um den ich mich gerne drücke oder den ich übersehe? Christliches Leben ist keine „comfort zone“, es ist ein Weg, eine Aufgabe – mit einem großen Ziel. Amen.

28.01.2024, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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