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Predigt von Pfarrer Daigeler zum Kiliani 2022 

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, am 8. Juli und am Sonntag zuvor feiert unser Bistum Würzburg seine Schutzpatrone, die heiligen Kilian, Kolonat und Totnan. Vor rund 1350 Jahren sind sie aus Irland nach Franken gekommen. Sie kannten und lebten den Glauben an Christus bereits. Bei uns war das Evangelium unbekannt. Darum wollten Kilian und seine Gefährten, mit uns und unseren Vorfahren die Freude des Evangeliums teilen. Ihr Mut, dafür ihr ganzes Leben einzusetzen, steht am Beginn der Glaubensgeschichte in unserer Heimat. Aber es reicht nicht, zurückzuschauen auf Vergangenes. Das Zeugnis der Frankenapostel ist – vielleicht nicht in der Form, aber in der Substanz – weiterhin bindend.

Was meine ich damit? Vor ein paar Tagen wurden die statistischen Zahlen für das Jahr 2021 vorgestellt. In den Medien war zu hören: Das ist doch kein Wunder, dass so viele Menschen aus der Kirche austreten. Die ist ja voller Probleme… Natürlich nehmen wir alle wahr, wie sich das kirchliche Leben verändert. Man kann nicht leugnen, dass es Probleme gibt. Doch bei nüchterner Betrachtung gibt es keine Gemeinschaft von Menschen, die ohne Fehler wäre. Ich meine auch, dass die viele Analysen der Ursachen Zirkelschlüsse sind. Jeder findet in den Zahlen eben für seine Meinung Bestätigung. Grund sind dann eben je nach Standpunkt ein Zuviel oder ein Zuwenig an „Reformen“.

Zu den geltenden wissenschaftlichen Standards gehört, dass man bei statistischer Analyse stets eine Vergleichsgruppe benötigt. Also eine Gruppe bekommt das Medikament, eine andere ein Placebo. Wenn wir das auf die Kirche anwenden, müssen wir fragen: Gibt es in anderen Konfessionen mit anderen Regeln mehr Beteiligung und weniger Austritte? Gibt es in anderen Gruppierungen, Vereinen und Gewerkschaften mehr Beteiligung und mehr Freiwillige für die zu verteilenden Aufgaben? Wenn es in diesen Vergleichsgruppen nicht anders aussieht mit der Beteiligung und der Mitgliederentwicklung als bei uns, und das nehme zumindest ich so wahr, dann können nicht die katholischen „Dauerthemen“ der Hauptgrund sein. Zumindest gibt dafür keinen empirischen Beleg.

Noch einmal, warum erzähle ich das? Sollen wir uns zurücklehnen, weil wir uns sagen können: Bei den anderen gibt es ja auch Probleme? Nein, gewiss nicht. Dafür ist die Sache, um die es geht, viel zu wichtig. Ich meine aber auch nicht, dass „Katastrophen-Rhetorik“ weiterhilft. Zum einen ist es erstaunlich, dass in einer Welt, in der man keinen gesellschaftlichen Vorteil mehr davon erhoffen darf, weiterhin so viele Menschen Mitglied der Kirche sind, selbst solche, die selten unsere „Leistungen“ in Anspruch nehmen. Auch gibt es kaum eine Vereinigung, die Sonntag für Sonntag so viele Menschen mobilisiert. In unserer Pfarreigemeinschaft besuchten in den letzten fünf Jahren durchschnittlich gut 14 % der Katholiken am Sonntag die Messe.

All das ist nichts, auf dem man sich ausruhen kann. Was wir neu lernen müssen, ist die Erkenntnis, dass nichts einfach „da“ ist. Es muss stets erhalten und neu erarbeitet werden. Nur weil der heilige Kilian einmal das Evangelium gepredigt hat, bleibt es nicht da. Es muss jeder Generation neu gesagt werden. Und jede Generation ist möglicherweise nicht mehr oder weniger „heidnisch“ als die Menschen, denen die Frankenapostel begegneten.

Als Katholiken wissen wir, dass es dafür stets auch Werke braucht. Es braucht immer den konkreten Einsatz von Menschen, die wie der heilige Kilian etwas von ihrem Leben einsetzen. Darum ist es so wichtig und wertvoll, dass Menschen in unseren Pfarrgemeinden mitarbeiten. Darum ist es unersetzbar, dass Eltern und Großeltern ihren Kindern und Enkeln Zeit schenken, in der sie auch vom Glauben sprechen.

Erwartungen an diese oder jene „Reform“ halte ich für unrealistisch. Das führt zur Enttäuschung. Und es schiebt meine Verantwortung auf andere, die irgendwas machen oder ändern sollen. Es gibt keinen anderen Weg, als den der Frankenapostel damals. Jeder Generation muss neu das Evangelium verkündet werden. Doch wenn wir das Evangelium bedenken und wenn wir auf die vielen heiligen Frauen und Männer durch die Jahrhunderte hindurch schauen, dann sehen wir: Die Botschaft Jesu enthält genug Aufgaben für ein ganzes Leben. Und sie enthält genug Kraft und Zukunftspotential für jede Zeit – auch für unsere Zeit. Amen.

03.07.2022, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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