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Predigt von Pfarrer Daigeler zum 5. Fastensonntag - Texte: Lesejahr A

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Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, was ist das eigentlich „Leben“? Auf den ersten Blick mag es eine einfache Frage sein. Ein Mensch, ein Lebewesen ist lebendig oder tot. Und wir machen das meist an biologischen Kriterien fest, ob das Herz schlägt, ob jemand atmet… Das ist richtig. Aber umschreibt es das, was Leben ist, umfassend? Ist Leben nur ein biologischer Vorgang, dass Zellen sich teilen, dass der Kreislauf des Blutes in Gang ist?

Ich denke, diese Beschreibung reicht nicht aus. Die Lesungen sprechen heute vom Geschenk des Lebens und von einem größeren Leben, das uns Jesus aufgetan hat. Das Neue Testament wurde in der damals verbreiteten griechischen Sprache verfasst. In dieser Sprache gibt es zwei Worte für „Leben“. Beide verwendet der Evangelist Johannes. Das eine Wort ist „bios“. Wir kennen es von Biologie und ähnlichen Fremdworten. Daneben gibt es auch das Wort „zoe“, das Jesus zweimal zu den Schwestern des Lazarus spricht, als er sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben.“

Was ist der Unterschied? Allein das biologische Kunstwerk unseres Körpers lässt uns staunen. Das verdient Achtung und Ehrfurcht in allen Phasen des Lebens von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Darüber hinaus fragen wir, Menschen, nach dem Sinn dieses Lebens. Wir suchen nach der Quelle und dem Ursprung, aus dem das Leben kommt. Das gilt im Kleinen. Für uns ist es wichtig: Wer sind meine Eltern? Wo ist meine Heimat? Und aus diesen ersten Fragen werden tiefere Fragen: Wo ist der eigentliche Grund für die ganze Wirklichkeit, für die Welt und die Wesen auf ihr?

Nun suchen gar viele Menschen die Antwort darauf in der Biologie. Sie meinen, wenn wir nur genug forschen, dann können wir irgendwann das ganze Leben entschlüsseln. Aber das wird nicht gelingen. Ist also unsere menschliche Sehnsucht nach dem vollen Leben immer verurteilt in einer Sackgasse oder in der Enttäuschung zu enden? Nein, und die Entgegnung ist das große Geschenk, das uns das Evangelium, das uns der Glaube macht. Wir kennen die Quelle des Lebens, weil wir Gott gefunden haben. Wir wissen, dass wir nicht Produkt des Zufalls sind, sondern aus der Liebe, aus dem Willen Gottes kommen. Jeder Mensch ist von Gott geliebt. Jeder Mensch hat eine Würde, die wir gegen eine „Kultur des Todes“ verteidigen müssen. Denn unsere angeblich so lebensfrohe Gesellschaft macht das Lebensrecht oft von bestimmten Eigenschaften abhängig: Wenn das Lebensrecht nur Geborenen, nur Gesunden, nur Menschen, die sich äußern können, zugestanden wird. Aber das Recht auf Leben hängt nicht an diesen Eigenschaften. Jeder Mensch hat Lebensrecht!

Und durch Jesus wissen wir, dass dieses Leben nicht mit dem Herzschlag oder dem letzten Atemzug endet. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben“. Jesus ist gekommen, damit wir die unerschöpfliche Quelle des Lebens finden, damit wir zum Vater finden, damit wir das ewige Leben finden. In seiner Nähe beginnt dieses Leben bereits, das sehen wir an Lazarus. „Leben in Fülle“ heißt nicht möglichst viel zu konsumieren, möglichst viel herauszuholen. Leben in Fülle ist Leben in Gemeinschaft, in die Jesus den Lazarus führt – mit anderen Menschen und mit Gott.

Von Kriegsgefangenen, die zehn Jahre in Kälte und Hunger waren, wird erzählt, dass sie bei ihrer Rückkehr sagten: „Ich konnte überleben, weil ich wusste, dass ich erwartet wurde.“ Menschen haben sie erwartet. Die Liebe hat sie erwartet. Durch Jesus wissen wir, dass uns selbst an der Schwelle des Todes die Liebe erwartet. Lassen wir uns von Jesus leiten. Er wird uns wie Lazarus bei unserem Namen rufen und zur wahren Quelle des Lebens führen. Amen.

17.03.2023, Pfarrer Dr. Eugen Daigeler

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